SamaJana´s World
Freitag, 11. April 2003
Grenzgänger

Kinder testen ihre Grenzen aus. Das ist allseits bekannt. Doch nur wer selbst Kinder hat, weiß was dies bedeutet. Mein kleiner Grenzgänger ist wirklich unermüdlich. Täglich wird trainiert. Täglich werden Erolge und Misserfolge verbucht. Kein Tag ohne ein neues wagemutiges Erlebnis. Diese Ausdauer, Motivation und Wissbegierde würde ich ja als Mutter durchaus begrüßen, wäre ich nicht der Grenzensetzer, der Trainingsplatz und daraus resultierend zitterndes Nervenbündel selbst.

"Nein, in der Früh schau bitte nicht Fernsehen. Das wühlt dich immer so auf." Wie als wenn er es nicht gehört hätte, drückt er auf ON bei der TV-Bedienung. Schon dröhnen "Superturtels", "Typisch Andy" oder ein andere Zeichentrick-Schwachsinn auf mich ein. "Niclas, hast du mich nicht gehört?" frage ich. Keine Reaktion. Ich stelle mich vor der Fernseher, so dass er nichts mehr sieht. "Bitte dreh ab," meine Stimme ist schon schärfer. "Das sind aber die Supertööörtels, Suuuuuuupertörtels, ..." Niclas beginnt den Refrain zu singen und springt dabei auf dem Sofa auf und ab. Ein Blick auf die Uhr. Wir sollten seit 5 Minuten das Haus verlassen haben. "Deine Socken liegen noch am Bett. Niclas zieh dich fertig an," versuche ich den nächsten Anlauf. "Gleich. Ich muss das noch fertig anschauen," antwortet er - im selben Ton, wie ich es mache, wenn ich noch etwas zu tun habe und er mich weglotsen will. Wut steigt in mir auf. Er legt sein Köpfchen schief und legt denselben hämischen Grinser wie sein Vater auf. Jetzt ist es aus. Ich drehe den TV ab, nehme dem kreischenden Kind die Fernbedienung weg und schleife ihn ins Kinderzimmer.
"Zieh die Socken an," befehle ich.
"Du bist so gemein," schluchzt er und dicke Krokodilstränen laufen ihm die Wangen hinab.
"Warum weinst du denn jetzt? Wir müssen los. Du musst in den Kindergarten und ich in die Arbeit."
"Nie darf ich das tun was ich will," schnieft er nochmals, während er endlich seine Benjamin-Blümchen-Socken anzieht. Ich werde nachdenklich, doch ein Blick auf meine Uhr holt mich aus dem Gedankenwirrwarr über Unbeschwertheit, Kindheit und mütterliche Macht wieder zurück. Als wir im Auto sitzen, fällt der erste Stress von mir ab. Geschafft! Jetzt läuft alles wieder nach Plan. Nicht mal der "Supertööööööörtl"-Gesang von Niclas kann mich jetzt mehr aus der Ruhe bringen.

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